Blog: Gibt es eine Schwimmwesten-Tragepflicht auf Schweizer Seen?

Eine klassische Schwimmweste am Körper macht Sinn.

Diese Frage interessiert und polarisiert gleichermassen, ist von Gesetzes wegen einfach zu beantworten, aber trotzdem kompliziert. Somit rechtfertigt das auf jeden Fall einen Blogbeitrag.

Laut Schweizer Binnenschifffahrtsverordnung kann die Frage, ob es eine Schwimmwesten-Tragepflicht auf Schweizer Seen gibt, ganz einfach zu beantworten: Nein!
Auf das Nein folgt dann ein grosses ABER! Denn es besteht nicht eine Tragepflicht, dafür eine Mitführpflicht eines Rettungsgeräts, welche aber so nicht gilt für wettkampftaugliche Kajaks. Das verlangt nach einer genaueren Betrachtung:

  • Artikel 134 in der Binnenschifffahrtsverordnung behandelt das Thema des Rettungsgeräts.
  • Absatz 1-3 definiert, was als Rettungsgerät gilt, nämlich Rettungswesten mit Kragen und Rettungsringe beides mit mindestens 75N Auftrieb, sowie Rettungsinseln.
  • In Absatz 4 steht geschrieben, dass für jede Person an Board ein Rettungsgerät vorhanden sein muss.
  • Der Absatz 4bis macht dann die Ausnahme, dass diese Regelung von Art. 134 nicht für wettkampftaugliche Wassersportgeräte gilt.
  • Artikel 134a führt dann aus, was wettkampftaugliche Wassersportgeräte sind und was für diese gilt.
  • Wettkampftaugliche Wassersportgeräte sind unter anderem wettkampftaugliche Kajak und Kanus. Eine genauere Definition fehlt leider, aber dazu komme ich später.
  • Für diese wettkampftauglichen Wassersportgeräte genügt ausserhalb der inneren und äusseren Uferzone das Mitführen einer Schwimmhilfe, die der Norm SN EN ISO 12402-5:2006 und der Grösse der tragenden Person entsprechen.

Die zwei grossen Problemen der Binnenschifffahrtsverordnung
Genug des Juristen-Deutschs, kommen wir zu den konkreten Konsequenzen für die Kanufahrer und den zwei Problemen der Binnenschifffahrtsverordnung:

1. Mitführpflicht anstelle von Tragepflicht
Die Verordnung kennt keine Tragepflicht, sondern lediglich eine Mitführpflicht. Das Mitführen eines Rettungsgeräts nützt mir aber nichts, wenn ich nach einer Kenterung nicht mehr bei meinem Schiff bin oder ich nicht an die Weste komme.

2. Definition wettkampftaugliches Kajak
Theoretisch müssten Paddler, mit Ausnahme der wettkampftauglichen Kajaks und Kanus, eine Rettungsweste mit Kragen mitführen. Bedenken wir, wie oben erwähnt, dass es sinnvoller wäre diese zu tragen, merken wir schnell, dass niemand zum Paddeln eine Rettungsweste mit Kragen anziehen würde.* Möchten wir auf die üblich verwendeten Schwimmwesten ausweichen, dürfen wir das nur auf wettkampftauglichen Kajaks und Kanus. Da folgt nun aber das zweite Problem. In der ganzen Verordnung wird nie genauer erläutert, was ein wettkampftaugliches Kajak oder Kanu ist. Fällt ein Wanderkanadier oder ein Seekajak auch darunter? Bisher ist mir auch kein konkreter Fall bekannt, in welchem das geklärt wurde.

Gesunder Menschenverstand versus unsinnige gesetzliche Bestimmungen
Trotz verwirrender, unzureichender und sogar unsinniger Verordnung empfehle ich euch eine ganz einfache Lösung: Tragt immer eine Schwimmweste!
Damit seid ihr optimal geschützt und ihr haltet euch sogar an die Verordnung, insofern ihr in einem wettkampftauglichen Kajak oder Kanu unterwegs seid. Da ich am Kanu-Marathon schon jegliche Bootstypen inklusive offenem Kanadier gesehen habe und der Kanu-Marathon ein Wettkampf ist, gehe ich davon aus, dass alle Kajaks und Kanus, wettkampftauglich sind. Und mal ganz im Ernst, solltet ihr mal von einem Ordnungshüter angehalten werden, weil ihr nur eine Schwimmweste tragt, anstelle einer Rettungsweste mitführt, verweist einfach auf Absatz 134a in der Binnenschifffahrtsverordnung und der Fall sollte erledigt sein :-)

* Exkurs: Unter Rettungswesten mit Kragen fallen auch aufblasbare Rettungswesten, welche automatisch oder von Hand ausgelöst werden. Je nach Modell gibt es da tatsächlich Rettungswesten, welche sich beim Paddeln zum Tragen eignen. Was der Nachteil an aufblasbaren Rettungswesten ist, behandele ich in einem späteren Blog-Beitrag.